Montag, 3. März 2025

hkp///group: Zwischen Stabilität und Wandel: Die Zukunft des Aufsichtsrats

Erkenntnisse einer multidimensionalen Bestandsaufnahme der Aufsichtsratsarbeit in Deutschland in Zeiten der Transformation

ECBE Studie Board of the Future 2024/25

Frankfurt am Main, 25. Februar 2025. Die Rolle des Aufsichtsrats hat sich in den letzten Jahren stark verändert und ist komplexer denn je. Technologische Entwicklungen, geopolitische Risiken, gesellschaftlicher Wertewandel und zunehmende regulatorische Anforderungen fordern ein neues, zukunftsgerichtetes Wirken. Moderne Aufsichtsräte benötigen ein verändertes Rollenverständnis und umfassende Kenntnis disruptiver Geschäftsmodelle. Zudem müssen sie frühzeitig Risiken erkennen und souverän in einem dynamischen, vielfältigen Umfeld agieren.

Dies zeigt die neue Auflage der Studie Board of the Future des European Center for Board Effectiveness ECBE, einer Tochtergesellschaft der auf Corporate Governance spezialisierten Unternehmensberatung Mercer | hkp///group. Die Analyse bietet detaillierte Einblicke in die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen von Aufsichtsräten.

Die Studienergebnisse basieren auf eine Datenanalyse zu den Aufsichtsräten der DAX-Index-Familie (DAX, MDAX, SDAX) sowie der Auswertung von Geschäftsberichten mithilfe von Textanalysen und Sprachmodellen. Ergänzt wird die Datenbasis durch Erkenntnisse aus von ECBE Advisors durchgeführten Gremien-Evaluierungen sowie durch individuelle Gespräche mit Aufsichtsrats- und Ausschussvorsitzenden.

Aufsichtsratstätigkeit zwischen Routine und permanentem Wandel

„Das Rollenverständnis des Aufsichtsrats hat sich stark gewandelt. Neben der klassischen Kontrollfunktion stehen zunehmend strategische und transformative Aufgaben im Fokus – geprägt durch Pandemie, Krieg sowie wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik. Dieser Balance-Akt erfordert nicht nur die richtigen Qualifikationen, sondern auch effiziente Strukturen, Prozesse und klare Entscheidungskraft. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Vorstand sowie ein abgestimmtes Rollenverständnis sind dabei essenzielle Grundvoraussetzungen“, erklärt Dr. Lukas Berger, ECBE Director und leitender Studienautor.

Regine Siepmann, Partner Mercer | hkp///group, ergänzt: „Aufsichtsratsvorsitzende sind für eine effektive und vertrauensvolle Zusammenarbeit, eine positive Teamdynamik und den optimalen Einsatz der Kompetenzen von Aufsichtsratsmitgliedern von zentraler Bedeutung. Mit ihrer Integrationskraft, der Unterstützung der Ausschussvorsitzenden und der Förderung der Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand beeinflussen Aufsichtsratsvorsitzende nicht nur die Qualität der Überwachung und Kontrolle, sondern auch die strategische Ausrichtung des Unternehmens“, so die Corporate Governance Expertin.

Der Aufsichtsrat der Zukunft im Spiegel der Studienergebnisse

Erweiterung des Rollenverständnisses erforderlich

Aufsichtsräte haben sich im zurückliegenden Jahr in ihren Sitzungen neben ihren Kontrollaufgaben besonders mit den Implikationen von Pandemie und Krieg, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sowie der Unternehmensstrategie befasst. Um zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden, ist weiterhin ein Spagat zwischen Überwachung des Kerngeschäfts sowie der Förderung von Innovationen und neuen Geschäftsmodellen nötig. Hierfür sind effiziente Prozesse, Strukturen und Routinen zu schaffen.

Führungsrolle des Aufsichtsratsvorsitzes entscheidend

Aufsichtsratsvorsitzende müssen eine Balance zwischen aktiver Führung, Integration und Förderung von Eigenverantwortung innerhalb des Gremiums schaffen. Der oder die Vorsitzende braucht zukünftig noch stärker die Fähigkeiten, Teamdynamiken zu gestalten, Ausschussvorsitzende zu unterstützen und die Zusammenarbeit mit dem Vorstand zu gestalten.

Diverses Kompetenzprofil und mehr Flexibilität

Eine langfristige Nachfolgeplanung basierend auf klar definierten Kompetenzprofilen wird häufig noch unzureichend umgesetzt. Deutsche Aufsichtsräte gelten weiterhin als zu formell und unflexibel. Hier rückt der Nominierungsausschuss in den Fokus. Ihm obliegt es, Kompetenzlücken frühzeitig zu identifizieren und den Aufsichtsrat qualifiziert und divers aufzustellen. Aufsichtsräte mit versetzten bzw. unterschiedlich langen Amtszeiten werden Normalität. Während der Frauenanteil weiter zunimmt, bleibt die Internationalität der Gremien weiterhin begrenzt.

Fokussierte Expertise und Transparenz in der Ausschussarbeit

In der Aufsichtsratstätigkeit ermöglichen Ausschüsse eine vertiefte Diskussion spezifischer Themen, die in Plenarsitzungen oft nicht ausreichend behandelt werden können. Mit klarer Aufgabenverteilung, strukturierter Abstimmung und transparenter Berichterstattung ins Plenum werden Überschneidungen, Lücken in der Bearbeitung sowie Informationsasymmetrien zwischen Aufsichtsratsmitgliedern vermieden.

Mehr denn je Transformation, ESG und KI im Fokus

Die Zahl der Transformationsausschüsse, insbesondere ESG-Ausschüsse, wächst weiter, während diese Themen zunehmend als Querschnittsaufgaben strategisch, regulatorisch und risikobasiert betrachtet werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Plenum und Ausschüssen ist essenziell. Aufsichtsräte müssen globale Einflüsse einordnen und Chancen sowie Risiken von Künstlicher Intelligenz aktiv adressieren. Zudem sollte Cyber Security als strategisches Kernthema regelmäßig auf der Agenda stehen.

Vergütung & Investoren-Kommunikation

Höhere Anforderungen und zunehmender Zeiteinsatz resultieren in einer Erhöhung der Aufsichtsratsvergütung, begleitet von einer Vereinfachung der Vergütungssysteme. Einige Unternehmen haben Aktienhaltevorschriften eingeführt, um den Performance-Bezug zu stärken. Bei der Vergütung des Vorstands werden durch den Aufsichtsrat weiterhin Nachhaltigkeitsziele integriert. Pay for Performance bleibt essenziell, wobei Transparenz das Vertrauen von Investoren stärkt, die auch in diesen Fragen zunehmend den Austausch mit Aufsichtsratsvorsitzenden suchen.

Autoren der Studie & Bezug

Zum Autoren-Team der Studie zählen Dr. Lukas Berger, ECBE Director, Regine Siepmann, Partner und Head of Corporate Governance Advisory Mercer | hkp///group, Prof. Dr. Michael Wolff, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Göttingen und wissenschaftlicher Berater von ECBE sowie Daniela Mattheus, Multi-Aufsichtsrätin und Senior Advisor ECBE.

Eine kostenlose Zusammenfassung der Studie kann angefordert werden über info@ecbe.com.

Über ECBE

ECBE – European Center for Board Effectiveness GmbH ist eine auf die Durchführung von Gremien-Evaluierungen spezialisierte Corporate Governance-Beratung und Business von Mercer | hkp///group. Mit einem innovativen und praxiserprobten Ansatz unterstützt ECBE nationale wie internationale Leitungs- und Kontrollgremien wirkungsvoll, multidisziplinär und nach höchsten Qualitätsansprüchen bei der Reflexion und Verbesserung ihrer Arbeit. Ziel ist es, die Arbeit, Effektivität und Dynamik von Leitungs- und Kontrollgremien vor dem Hintergrund tiefgreifender Transformationsprozesse mit konkreten und praxisnahen Best-Practice-Empfehlungen zu verbessern.

FidAR - Frauen in die Aufsichtsräte e. V.: Public WoB-Index von FidAR: Kaum Impulse für mehr Gleichberechtigung / Bundesbeteiligungen legen beim Frauenanteil jedoch stärker zu als die der Länder

Pressemitteilung

WoB-Index Niedersachsen von FidAR: Mehr Frauen in Aufsichtsgremien der Beteiligungen des Landes und der Kommunen / Stagnation in der Privatwirtschaft

Hannover/Berlin, 22.08.2024: Viele niedersächsische Unternehmen erzielen bei der gleichberechtigten Teilhabe noch keine messbaren Fortschritte. Die öffentlichen und privatwirtschaftlichen Unternehmen Niedersachsens haben ihren Frauenanteil in Führungsgremien im Vergleich zum Vorjahr insgesamt kaum gesteigert. Zwar übertraf der durchschnittliche Frauenanteil in den Aufsichtsgremien mit 30,6 Prozent erstmals die 30 Prozentmarke (2023: 27,5 %). In den Top-Managementorganen dagegen sank der Frauenanteil auf 19,6 Prozent (2023: 20,3 %). Das zeigt der dritte Women-on-Board-Index Niedersachsen der Initiative FidAR (Stand 1.01.2024) im Auftrag des niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, der heute in Hannover vorgestellt wird.

Deutlich gestiegen ist der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien der 44 untersuchten Landesbeteiligungen auf 30,6 Prozent (2023: 26,8 % / +3,8) und der 25 kommunalen Beteiligungen auf 32,8 Prozent (2023: 27,7 % / +5,1), während der Wert für die 34 untersuchten Unternehmen der Privatwirtschaft bei 28,5 Prozent (2023: 28,2 % / +0,3) fast stagniert. In den Top-Managementorganen dagegen erzielten nur die Landesbeteiligungen eine geringe Steigerung auf 26,3 Prozent (2023: 25,6 % / +0,7), während bei den Kommunen der Frauenanteil auf 22 Prozent (2023: 27,3 % / -5,3) abrutscht und auch in der Privatwirtschaft leicht auf 15,1 Prozent (2023: 15,4 % / -0,3) sank. Neun der 103 untersuchten Unternehmen haben ein frauenfreies Aufsichtsgremium und bei 63 Unternehmen ist keine Frau in der Geschäftsführung oder im Vorstand.

Neuer Spitzenreiter des Rankings nach dem Frauenanteil im Aufsichtsgremium und Top-Management ist das Institut für pharmazeutische und angewandte Analytik (InphA), eine Beteiligung des Landes Niedersachsen gemeinsam mit Bremen, Hamburg, Hessen, Saarland und Schleswig-Holstein. Auf Platz zwei steht die Landesbeteiligung TourismusMarketing Niedersachsen (TMN), gefolgt von ÜSTRA Hannoversche Verkehrsbetriebe, einer kommunalen Beteiligung der Stadt Hannover. Auf den vierten Platz geklettert ist die Regiobus Hannover. Das höchstgerankte Unternehmen der Privatwirtschaft ist auf Platz 16 das im DAX notierte Versicherungsunternehmen Hannover Rück mit einem Frauenanteil im Aufsichtsrat von 55,6 und im Vorstand von 25 Prozent. Auf den Plätzen 18 und 20 folgen der Helmstedter Energieversorger Avacon und der im DAX gelistete Pharma- und Laborzulieferer Sartorius mit Sitz in Göttingen. Am stärksten gesteigert hat den Frauenanteil in Führungspositionen die Landesbeteiligung Investitions- und Förderbank Niedersachsen (NBank), die sowohl im Aufsichtsgremium als auch im Vorstand eine Frau berufen hat (+31,3). Sechs Unternehmen mit zum Stand der Untersuchung komplett frauenfreier Führungsetage bilden das Schlusslicht des Rankings: expert, hagebau, Hellmann Worldwide Logistics, Länderzentrum für Niederdeutsch, Lenze und Q1 Energie.

„Wir müssen in Niedersachsen bei der gleichberechtigten Teilhabe noch einiges tun. Der dritte Women-on-Board-Index Niedersachsen zeigt die Fortschritte auf, die die Unternehmen gemacht haben, verdeutlicht aber auch, dass wir in vielen Bereichen noch großen Handlungsbedarf haben. Gleichberechtigte Teilhabe in Führung und Aufsicht unserer Unternehmen ist kein Nice-to-have, sondern eine logische Konsequenz, wenn man Wirtschaftswachstum und Resilienz in der Gesellschaft stärken will. Das gilt für unsere Landesbeteiligungen genauso wie für kommunale Unternehmen und die Privatwirtschaft hier in Niedersachsen“, betont Dr. Andreas Philippi, Niedersächsischer Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung. „Unser langfristiges Ziel sind paritätisch besetzte Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführungen. Dabei haben die Beteiligungen des Landes eine Vorbildfunktion. Aber auch die kommunalen Beteiligungen und die Privatwirtschaft stehen in der Pflicht, mehr Frauen in ihre Führungspositionen zu berufen. Es ist Zeit, dass die Unternehmen Niedersachsens zu Vorbildern werden – für Niedersachsen und darüber hinaus.“

„So erfreulich der Anstieg des Frauenanteils in den Aufsichtsgremien der Landesbeteiligungen auch ist: Die Ergebnisse des dritten WoB-Index veranschaulichen sehr deutlich, wie groß der Nachholbedarf beim Thema Gleichstellung in Niedersachsen noch immer ist“, so auch Dr. Christine Arbogast, Staatssekretärin im Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung. „Wir benötigen einen umfassenden Mentalitätswandel in Politik und Wirtschaft. Deshalb ist es wichtig, regelmäßig den Finger in die Wunde zu legen und aufzuzeigen, wo die Schwachstellen liegen. Wir können es uns einfach nicht leisten, auf so viel gute Kompetenz zu verzichten. Denn letztlich profitieren von einem hohen Frauenanteil alle Seiten: die Frauen, die Unternehmen und die ganze Gesellschaft.“

„Wir sehen mit dem WoB-Index Niedersachsen über die vergangenen drei Jahre, dass Transparenz und öffentlicher Druck notwendig sind, um die Wahrnehmung für die Gleichberechtigung deutlich zu erhöhen. Bislang sind die Unternehmen vom Ziel des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes, Frauen und Männern eine gleiche Stellung in Führungspositionen zu verschaffen, noch weit entfernt. Mangels des Drucks durch feste Quoten und angesichts der nicht hinreichenden Beachtung der Zielgrößenpflicht fehlt vielen Unternehmen offenbar die Ambition, sich ehrgeizige Ziele zu setzen und mehr Frauen Führungsverantwortung zu übertragen“, erklärt FidAR-Gründungspräsidentin Monika Schulz-Strelow, die die Studie federführend betreut hat.

„Die niedersächsische Landesregierung hat mit der Novelle des Gleichberechtigungsgesetzes die Weichen dafür gestellt, in den Landesbeteiligungen den Druck für mehr Chancengerechtigkeit zu erhöhen. Gleichzeitig sehen wir, dass der Druck des Bundes über das zweite Führungspositionengesetz vor allem in der Privatwirtschaft seine Wirkung entfaltet. Dennoch gelten diese Regelungen nur für sehr wenige Unternehmen. Daher fordern wir, den Geltungsbereich der Geschlechterquote für Aufsichtsräte und des Mindestbeteiligungsgebots für Vorstände auf deutlich mehr Unternehmen auszuweiten und bestehende Sanktionen konsequent anzuwenden, wenn die Zielgrößenpflicht nicht beachtet wird. Von mehr Frauen in den Führungsebenen der Unternehmen profitieren Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen“, ergänzt FidAR-Präsidentin Prof. Dr. Anja Seng.

Der Women-on-Board-Index Niedersachsen ist eine detaillierte Untersuchung zu Frauen in Aufsichtsgremien und Top-Managementorganen öffentlicher und privatwirtschaftlicher Unternehmen in Niedersachsen. Untersucht wurden 103 niedersächsische Unternehmen zum Stand 1.01.2024: 44 Landesbeteiligungen, die 34 nach Beschäftigtenzahl größten privaten Unternehmen und die 25 größten kommunalen Beteiligungen der fünf einwohnerstärksten Städte Niedersachsens, Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Osnabrück und Wolfsburg.

Neben den Frauenanteilen in den Aufsichtsgremien und den Top-Managementorganen werden im WoB-Index Niedersachsen auch die von den Unternehmen gesetzten Zielgrößen für das Aufsichtsgremium, das Top-Managementorgan und die obersten beiden Managementebenen analysiert. Von den in diesem Jahr untersuchten 103 Unternehmen unterliegen 57 börsennotierte oder mitbestimmte Gesellschaften der Pflicht, Zielgrößen festzulegen und zu veröffentlichen. Allerdings machen 22 dieser Unternehmen keine Angaben zu den Zielgrößen. Die Zahl der Unternehmen, die Zielgrößen definiert und veröffentlicht oder in der Befragung für diese Studie angegeben haben, ist zwar von 21 auf 35 gestiegen, doch haben sich damit nicht einmal zwei Drittel der verpflichteten Unternehmen geäußert.

Die Studienergebnisse werden heute bei der Veranstaltung „Gleichberechtigte Führung: Frauen stärken, Erfolg steigern!“ im Sparkassen-Forum in Hannover präsentiert. Der WoB-Index Niedersachsen wird gefördert vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung. Die Studie wurde von FidAR unter wissenschaftlicher Begleitung von Prof. Dr. Michèle Morner, Leiterin des Wissenschaftlichen Instituts für Unternehmensführung und Corporate Governance in Deimern, erstellt.

Die Studie zum WoB-Index Niedersachsen sowie die wichtigsten Ergebnisse können unter https://niedersachsen.wob-index.de eingesehen werden.

FidAR - Frauen in die Aufsichtsräte e. V. Public WoB-Index von FidAR: Kaum Impulse für mehr Gleichberechtigung / Bundesbeteiligungen legen beim Frauenanteil jedoch stärker zu als die der Länder

Pressemitteilung

- Bundesfrauenministerin Paus: „Wo der Wille ist, ist auch ein Weg!“

- FidAR-Gründungspräsidentin Schulz-Strelow: „Zielgrößen öffentlicher Unternehmen enttäuschen.“

- FidAR-Präsidentin Seng: „Ziel der Parität erfordert deutlich mehr Engagement.“

Berlin, 24.10.2024: Die öffentlichen Unternehmen in Deutschland bleiben bei der gleichberechtigten Teilhabe in Führungsgremien weiter hinter den Erwartungen zurück. Die angestrebte paritätische Besetzung von Aufsichtsgremien und Top-Managementorganen liegt immer noch in weiter Ferne. In den Aufsichtsgremien der 261 größten Beteiligungen von Bund und Ländern stieg der Frauenanteil nur marginal stärker als im Vorjahr um 1,6 Prozentpunkte auf 38,7 Prozent (2023: 37,1 %), in den Top-Managementorganen um 2,4 Prozentpunkte auf 28,1 Prozent (2023: 25,7 %). Das sind die Ergebnisse des heute in Berlin vorgestellten Public Women-on-Board-Index von FidAR mit Stand 01.01.2024.

Bundesbeteiligungen mit mehr Frauen als Länderbeteiligungen

Die Bundesbeteiligungen, für die nach den beiden Führungspositionengesetzen strengere Vorgaben gelten, erreichen bei der gleichberechtigten Teilhabe weiterhin bessere Werte als die Beteiligungen der Länder. Der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien der 103 untersuchten Bundesunternehmen stieg um 1,8 Prozentpunkte auf 39,6 Prozent (2023: 37,8 %). 37 Aufsichtsgremien (35,9 %) sind mindestens paritätisch besetzt (2023: 32/30,8 %). In den Top-Managementorganen haben die Bundesbeteiligungen um 2,6 Prozentpunkte zugelegt und mit einem Frauenanteil von 30,9 Prozent erstmals die 30-Prozentmarke überschritten (2023: 28,3 %). Sie liegen damit mehr als 10 Prozentpunkte über dem durchschnittlichen Frauenanteil in den Vorständen der Privatwirtschaft von 19,3 Prozent. Bei den 158 untersuchten Landesbeteiligungen fallen sowohl die Zuwächse als auch die durchschnittlichen Frauenanteile geringer aus. In den Aufsichtsgremien erreichen die Landesunternehmen bei einem Plus von 1,4 Prozentpunkten einen durchschnittlichen Frauenanteil von 37,9 Prozent (2023: 36,5 %), in den Top-Managementorganen liegt der Anstieg bei 2,1 Prozentpunkten auf einen durchschnittlichen Frauenanteil von 25,7 Prozent – und damit über 5 Prozentpunkte unter dem der Bundesbeteiligungen.

Lisa Paus: „Bundesbeteiligungen sind Vorbilder“

„Wo der Wille ist, ist auch ein Weg! Das sehen wir daran, dass die gesetzlichen strengen Vorgaben für die Bundesunternehmen zu einer deutlichen Steigerung des Frauenanteils an Führungspositionen führen. Bei den unmittelbaren Bundesbeteiligungen liegt der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien inzwischen bei 43 Prozent. Das ist eine tolle Entwicklung auf dem Weg zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen. Ich fordere alle Unternehmen auf, in ihren Anstrengungen nicht nachzulassen und Instrumente wie Zielgrößen in den Top-Managementebenen zu nutzen, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen“, betont Bundesfrauenministerin Lisa Paus.

Fünf Unternehmen haben Handlungsbedarf bei der Umsetzung des Mindestbeteiligungsgebots

Während in der Privatwirtschaft nur noch drei der 65 unter das Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände fallenden Unternehmen die Vorgabe nicht erfüllen, haben von den betroffenen 43 Bundesbeteiligungen fünf noch keine Frau im Top-Managementorgan. Die seit August 2022 geltende Regelung verpflichtet Mehrheitsbeteiligungen des Bundes mit mehr als zwei Mitgliedern in der Geschäftsführung mindestens eine Frau bzw. einen Mann aufzuweisen. Der Frauenanteil in den Top-Managementorganen der dem Mindestbeteiligungsgebot unterliegenden Unternehmen ist auf 36,3 Prozent gestiegen (2023: 32,6 %). Mit Stand 01.01.2024 hatten noch acht Unternehmen eine frauenfreie Top-Managementebene, von diesen haben drei in diesem Jahr eine Frau in die Geschäftsführung berufen: Dr. Katharina Stummeyer ist seit 1. Juni 2024 Geschäftsführerin bei Facility for Antiproton and Ion Research in Europe und beim GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung, Sabine Kohler wurde am 9. April 2024 zur Geschäftsführerin der Regionalverkehr Alb-Bodensee bestellt. Bei fünf Unternehmen besteht dagegen weiterhin Handlungsbedarf: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Die Autobahn GmbH des Bundes, Omnibusverkehr Franken, Regionalverkehr Oberbayern und SBG Südbadenbus.

Kaum Transparenz bei den Zielgrößen

133 der 261 untersuchten öffentlichen Unternehmen sind nach dem Führungspositionengesetz verpflichtet, Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsgremium, Top-Managementorgan und die zwei obersten Managementebenen festzulegen. Nur zwei Drittel (90/67,7 %) kommen überhaupt der Pflicht nach und machen Angaben dazu, mit welchem Frauenanteil sie künftig planen. Dabei ist die Zahl der Unternehmen, die Zielgröße Null angeben, also weiterhin nicht mit Frauen in der Unternehmensleitung planen, von 14 auf 5 gesunken.

Monika Schulz-Strelow: „Zielgrößen werden von öffentlichen Unternehmen weiter vernachlässigt“

„Zwei Jahre nach Einführung des Mindestbeteiligungsgebots für die Bundesbeteiligungen und neun Jahre nach Inkrafttreten des Führungspositionengesetzes werden die öffentlichen Unternehmen ihrer Rolle als Vorbild bei der gleichberechtigten Teilhabe insbesondere in Bezug auf die Zielgrößen immer noch nicht gerecht. Wer keine Zielgrößen festlegt und veröffentlicht, verfehlt die Vorgabe des Gesetzgebers, transparent mit mehr Frauen in Führungspositionen zu planen, bis sie Gleichberechtigung erreicht haben. Mit dieser Haltung wird es schwerfallen, im Wettbewerb um die besten Köpfe zu bestehen. Das ist auch ein fatales Zeichen an die Beschäftigten, dass Frauen keine gleichberechtigten Aufstiegschancen im Unternehmen haben. Und das kann nicht gewollt sein“, erklärt FidAR-Gründungspräsidentin Monika Schulz-Strelow, die den Public WoB-Index federführend betreut.

Bundesländer mit Public Corporate Governance Kodex beim Frauenanteil vorne

Während für die Bundesbeteiligungen die gesetzlichen, quotenbasierten Vorgaben der Führungspositionengesetze und des Bundesgremiengesetzes greifen, gelten für die reinen Landesbeteiligungen bis auf Zielgrößenvorgaben meist nur landesspezifische Regelungen. Im Vergleich zeigt sich, dass die Länder beim Frauenanteil vorne liegen, die über Kodizes zur guten Unternehmensführung (Public Corporate Governance Kodex - PCGK) verfügen oder deren Landesgleichstellungsgesetze konkrete Vorgaben machen. So haben die Spitzenreiter im Länderranking, Berlin und Brandenburg, Kodizes mit expliziter Aussage zur Diversity in Führungspositionen der Landesunternehmen. Andere Länder holen durch die Reform des PCGK des Landes oder die Novellierung der Gleichstellungsgesetze langsam auf.

Anja Seng: „Wir brauchen eine zukunftsfähige Unternehmenskultur“

„Zu viele Unternehmen zeigen noch immer zu wenig Ambitionen, den Frauenanteil in Führungspositionen gezielt zu erhöhen – das gilt nicht nur für private Unternehmen, sondern wie der aktuelle Public Women-on-Board-Index zeigt, nach wie vor auch für die öffentlichen Unternehmen. Es fehlt an gesetzlichem Druck und an klaren Anforderungen, mehr Frauen in Aufsichtsgremien und in die Managementebenen zu berufen. Daher sollte der Geltungsbereich der Geschlechterquote für Aufsichtsgremien und des Mindestbeteiligungsgebots für Top-Managementorgane ausgeweitet und Sanktionen konsequent angewendet werden – insbesondere, wenn die Zielgrößenpflicht nicht oder nur unzureichend beachtet wird. Zudem sollte die Wirkmacht von Public Corporate Governance Kodizes systematisch genutzt und mit konkreten Vorgaben zur gleichberechtigten Teilhabe versehen werden. Das alles mit dem Ziel, die Unternehmenskultur so nachhaltig zu verändern, dass eine paritätische Besetzung der Führungsgremien endlich Normalität wird“, betont FidAR-Präsidentin Prof. Dr. Anja Seng.

Der Public WoB-Index im Überblick

Der Public Women-on-Board-Index von FidAR ist die bedeutendste repräsentative Studie zur gleichberechtigten Teilhabe in Führungspositionen von Frauen und Männern in öffentlichen Unternehmen in Deutschland. Für die vorliegende elfte Studie wurden 261 Beteiligungen von Bund und Ländern untersucht. 133 davon sind verpflichtet, Zielgrößen für das Aufsichtsgremium, Top-Managementorgan und die obersten zwei Managementebenen festzulegen und zu veröffentlichen. Von den 103 untersuchten Bundesbeteiligungen sind 59 zielgrößenpflichtig. Bei 44 der untersuchten Unternehmen entscheidet der Bund über mindestens drei Sitze im Aufsichtsgremium. 43 Mehrheitsbeteiligungen des Bundes haben mehr als zwei Mitglieder im Geschäftsführungsorgan und müssen nach dem Mindestbeteiligungsgebot mindestens eine Frau bzw. einen Mann im Top-Managementorgan aufweisen.

Der Public WoB-Index wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Studie wird von FidAR unter wissenschaftlicher Begleitung von Prof. Dr. Michèle Morner, Inhaberin des Lehrstuhls Führung, Personal und Entscheidung an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, erstellt.

Die Studie zum Public WoB-Index kann unter www.public-wob-index.de eingesehen werden.