Freitag, 24. November 2017

Lotteriemonopol rechtswidrig: Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts München verstößt das Monopol gegen Unionsrecht und Verfassungsrecht

Erstmalig hat ein deutsches Gericht das von den deutschen Ländern beanspruchte Lotteriemonopol als rechtwidrig beurteilt. Damit sind die Milliardeneinnahmen für die Länder aus den von ihnen angebotenen Glücksspielen gefährdet.

Das Verwaltungsgericht München kommt in seinem von der Kanzlei ARENDTS ANWÄLTE erstrittenen Urteil zu dem Schluss, dass das deutsche Lotteriemonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung sowohl gegen die unionsrechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 ff AEUV als auch gegen die verfassungsrechtlich garantierte Berufswahlfreiheit gem. Art. 12 GG verstößt.

Die in Bayern ansässige Klägerin hatte sich im Oktober 2010 an die für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zur Veranstaltung von Lotterien mit nicht nur geringem Gefährdungspotential zuständige Regierung der Oberpfalz gewandt und sich nach einer Erlaubnismöglichkeit für die Veranstaltung einer Zahlenlotterie im Freistaat Bayern erkundigt. Daraufhin erhielt sie eine „Checkliste für eine Erlaubniserteilung zur Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele“. Basierend auf den stichpunktartigen Erläuterungen der (nicht veröffentlichten) Checkliste stellte die Klägerin einen Antrag auf Erlaubnis zur Veranstaltung einer Zahlenlotterie im Freistaat Bayern. Aufgrund der unklaren Auskünfte, die die Klägerin auf mehrmalige Nachfragen zu den Erlaubnisvoraussetzungen von der Regierung der Oberpfalz erhielt, besserte die Klägerin ihren Erlaubnisantrag mehrfach nach. Die Regierung der Oberpfalz begründete auf Anweisung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern den Ablehnungsbescheid ausschließlich damit, dass die Klägerin nach Auffassung der Behörde materielle Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfülle.

Gegen den Ablehnungsbescheid der Regierung der Oberpfalz erhob die Klägerin nach einem fast eineinhalb Jahre dauernden Verwaltungsverfahren 2012 Klage zum Verwaltungsgericht München. Bemerkenswerterweise erklärte die Regierung der Oberpfalz erst im ersten mündlichen Verhandlungstermin und auch erst auf mehrmaliges Nachfragen der Vorsitzenden Richterin man gehe von der Anwendbarkeit der Monopolregelungen aus, da man diese für verfassungs- und unionsrechtskonform halte.

Dem widersprach das Verwaltungsgericht München in seinem Urteil vom 25. Juli 2017, bei dem kürzlich die Urteilsgründe zugestellt wurden. Nach Ansicht des Gerichts ist das in § 10 Abs. 2 und Abs. 6 des zwischen den Ländern abgeschlossenen Glücksspielstaatvertrag (GlüStV) verankerte Lotteriemonopol wegen der Werbepraxis der Landeslotteriegesellschaften aus unionsrechtlicher Sicht wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV nicht anwendbar und zudem verfassungswidrig.

Das Gericht stützt sich auf mehrere Gesichtspunkte. So berücksichtige bereits die Werberichtlinie der Länder, welche die § 5 Abs. 1 bis 3 GlüStV hinsichtlich erlaubter Werbung konkretisiert, nicht strikt die vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) und vom Bundesverwaltungsgericht herausgearbeiteten Kriterien, die zur Rechtfertigung eines Glücksspielmonopols einzuhalten sind. Das Verwaltungsgericht München weist diesbezüglich darauf hin, dass § 3 Abs. 3 Satz 4 der Werberichtlinie entgegen den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich Imagewerbung erlaube. Nach § 5 Nr. 1 Satz 2 und 3 der Werberichtlinie dürfe überdies attraktiv geworben und der gemeinnützige Charakter der Lotterien in den Vordergrund gestellt werden.

Auch werde die Werbepraxis den Anforderungen der Rechtsprechung nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht begründet dies anhand zahlreicher Werbemaßnahmen der Monopolträger, die von der Klägerin in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegt wurden. Zur systematisch betriebenen unzulässige Werbepraxis der Landeslotteriegesellschaften im Bereich der Zahlenlotterien verweist das Verwaltungsgericht auf die unzulässige Werbung der Landeslotteriegesellschaften mit gezielt beworbenen hohen Jackpotsummen in Form von Radio- und Fernsehspots. Unzulässige Jackpotwerbung finde sich zudem in Newslettern und in Kundenmagazinen der Landeslotteriegesellschaften, in sozialen Netzwerken, in Bannerwerbung auf Nachrichtenseiten im Internet sowie auf den Internetstartseiten der Landeslotteriegesellschaften.

Nach Überzeugung des Verwaltungsgerichts werden durch die Jackpot-Werbung der Landeslotteriegesellschaften die Gewinnwünsche der Bürger angeregt und bislang Unentschlossene zum Mitspielen angeregt. Oftmals werde der in Aussicht gestellte hohe Gewinn mit einem künftig (vermeintlich) besseren Leben ohne den Zwang, den Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen zu müssen, verknüpft, um Gewinnbegehrlichkeiten zu wecken. Somit werden mit der Jackpot-Werbung nicht nur bereits vorhandene Spielleidenschaften angesprochen, um sie in geordnete Bahnen zu lenken, sondern bei bislang Nicht-Spielinteressierten erstmalig Spielanreize geschaffen bzw. bei bereits Spielinteressierten ein gesteigertes Bedürfnis nach Glücksspielen hervorgerufen. Darüber hinaus werde nach Auffassung des Gerichts von den Monopolträgern eine unzulässige Image- und Sympathiewerbung betrieben.

Als unzulässiger Anreiz zur Glücksspielteilnahme wirkten ferner die Verlautbarungen der Landeslotteriegesellschaften über Millionäre, insbesondere wenn sie mit der Angabe des vergleichsweise geringen Spieleinsatzes des Gewinners verbunden würden.

Folglich kommt das Verwaltungsgericht München in seinem Urteil zu dem Schluss, dass die Regelungen in der Werberichtlinie und die darauf basierende Werbepraxis für hohe Jackpotgewinne zu werben, weit über eine Kanalisierungs- und Lenkungsfunktion von am öffentlichen Glücksspiel interessierten Personen hinausgingen. Durch die praktizierte Jackpotwerbung würden aktiv und deutlich Anreize gesetzt werden, an öffentlichem Glücksspiel, Zahlenlotterien, teilzunehmen. Durch eine solche Werbepraxis werde letztlich auch den Zielen des GlüStV nicht mehr genüge getan.

Das Verwaltungsgericht München lehnt eine Neuverbescheidung des Genehmigungsantrags der Klägerin schließlich mit dem Argument ab, dass die (gesetzlich allerdings nicht als Voraussetzung geregelte) finanzielle Leistungsfähigkeit nicht hinreichend nachgewiesen worden sei. In der von der Regierung der Oberpfalz an die Klägerin verschickten (nicht veröffentlichten) „Checkliste“ forderte sie allerdings lediglich die Vorlage eines sog. Vertriebskonzeptes.

Rechtsanwalt Clemens Schmautzer von der Kanzlei ARENDTS ANWÄLTE verweist auf die wirtschaftliche Bedeutung des rechtlich nicht mehr haltbaren Lotteriemonopols: „Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts München dürften bei den Bundesländern, die seit dem grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006, Az. 1 BvR 1054/01, mehr schlecht als recht versuchen, sich die Einnahmen aus der Lotterieveranstaltung auch weiterhin zu sichern, für Panikattacken sorgen.“

Nach Auffassung von Rechtsanwalt Martin Arendts sind die Länder und wenn diese es nicht schaffen, dann der Bund, aufgefordert, endlich eine rechtlich haltbare Regelung zu schaffen: „Dafür bedarf es eines großen Wurfs. Es war ein grober taktischer Fehler, das sich die Länderchefs auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 17. März 2016 lediglich zu minimalinvasiven Eingriffen in das bestehende Regelungswerk des GlüStV entschließen konnten. So hatte das Land Hessen, nachdem das Sportwettkonzessionsverfahren von den Ländern aufgrund seiner unionsrechtswidrigen Ausgestaltung an die Wand gefahren worden war, einen Entwurf zur grundlegenden Neuregelung des Glücksspielwesens vorgelegt.“

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Ansprechpartner:

Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Rechtsanwalt Clemens Schmautzer

Rechtsanwaltskanzlei ARENDTS ANWÄLTE
Perlacher Str. 68
D - 82031 Grünwald
Tel. ++49 / 89 / 64 91 11 – 75
Fax. ++49 / 89 / 64 91 11 – 76

www.wettrecht.de
www.gaminglaw.de

Dienstag, 11. August 2015

Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 11/2015 veröffentlicht

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Dienstag, 14. Juli 2015

Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 10/2015 veröffentlicht

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Mittwoch, 24. Juni 2015

Anstehende Spruchverfahren

Die Rechtsanwaltskanzlei ARENDTS ANWÄLTE vertritt Minderheitsaktionäre insbesondere in folgenden anstehenden Spruchverfahren:

  • ADC African Development Corporation AG (Squeeze-out): Frist 25. Juni 2015
  • DAB Bank AG (verschmelzungsrechtlicher Squeeze-out): Eintragung bevorstehend
  • Deutsche Postbank AG (Squeeze-out)
  • Dresdner Factoring AG (verschmelzungsrechtlicher Squeeze-out)
  • Ehlebracht AG (verschmelzungsrechtlicher Squeeze-out)
  • Forst Ebnath AG (Squeeze-out)
  • MeVis Medical Solutions AG (Beherrschungsvertrag)
  • OnVista AG (Squeeze-out)
  • Sky Deutschland AG (Squeeze-out)
  • Swarco Traffic Holding AG (Squeeze-out) 
  • WMF AG (verschmelzungsrechtlicher Squeeze-out): Frist 23. Juni 2015

 (Angaben ohne Gewähr)

Donnerstag, 11. Juni 2015

Urteil des EuGH in der Rechtssache Berlington Hungary: Verbot von Geldspielautomaten außerhalb von Spielcasinos erfordert Entschädigungsregelung oder Übergangszeit

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat am 11. Juni 2015 in der Rechtssache Berlington Hungary (Rs. C-98/14) sein Urteil verkündet. In dieser Sache hatte der ungarische Hauptstädtische Gerichtshof (Fővárosi Törvényszék) dem EuGH gleich 15 Fragen zum ungarischen Glücksspielrecht vorgelegt (zu den Vorlagefragen siehe: http://wettrecht.blogspot.de/2014/05/neue-vorlage-den-europaischen.html).

Hintergrund dieser Vorlage sind die restriktiven Gesetzgebungsinitiativen der rechtskonservativen ungarischen Regierung. 2011 wurde zunächst massiv an der Steuerschraube gedreht und die Spielsteuer für Automaten ohne Übergangszeitraum verfünffacht. 2012 wurde dann der Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen komplett verboten (so dass diese nur noch in den Spielbanken erlaubt sind, deren Zahl allerdings deutlich erhöht wurde). 

Dieses Vorgehen hält der EuGH für nicht mit Unionsrecht vereinbar. Widerrufe der nationale Gesetzgeber eine Genehmigung, die ihrem Inhaber die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, müsse er eine angemessene Entschädigungsregelung oder einen hinreichend langen Übergangszeitraum vorsehen, damit sich der Inhaber der Genehmigung darauf einstellen könne. Tatsächliche Feststellungen müsse das nationale Gericht treffen.

Der EuGH stellt zunächst fest, dass nationale Rechtsvorschriften, die den Betrieb und die Ausübung bestimmter Glücksspiele nur noch in Spielcasinos erlauben, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen. Auch könne eine Maßnahme, mit der die Steuern auf den Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen drastisch erhöht werden, ebenfalls als beschränkend gewertet werden, wenn sie geeignet sei, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit in Gestalt des Betriebs von Geldspielautomaten in Spielhallen zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass dies der Fall wäre, wenn das nationale Gericht feststellen sollte, dass die Steuererhöhung den rentablen Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen verhindert und dadurch ihren Betrieb tatsächlich auf Spielcasinos beschränkt hätte.

Nach Auffassung des EuGH können die mit den streitigen Maßnahmen verfolgten Ziele, nämlich der Schutz der Verbraucher vor Spielsucht sowie die Verhinderung von Kriminalität und Betrug im Zusammenhang mit dem Spielen, Beschränkungen von Glücksspieltätigkeiten zwar grundsätzlich rechtfertigen. Mit diesen Beschränkungen müssen die genannten Ziele jedoch in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden (so die ständige Rechtsprechung des EuGH). Eine entsprechende kohärente und systematische Regelung bezweifelt der EuGH, indem er darauf verweist, dass Ungarn offenbar eine Politik der kontrollierten Expansion von Glücksspieltätigkeiten verfolgt, in deren Rahmen u. a. im Jahr 2014 neue Konzessionen zum Betrieb von Spielcasinos erteilt wurden. Bei einer solchen Politik könne nur dann davon ausgegangen werden, dass sie die genannten Ziele in kohärenter und systematischer Weise verfolge, wenn sie zum einen geeignet ist, einem tatsächlichen Problem in Verbindung mit kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Spielen sowie der Spielsucht in Ungarn abzuhelfen, und zum anderen keinen Umfang hat, der sie mit dem Ziel der Eindämmung der Spielsucht unvereinbar macht. Dies sei vom nationalen Gericht zu prüfen.

Das nationale Gericht wird auch zu prüfen haben, ob die in Rede stehenden Maßnahmen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie das Eigentumsrecht der Spielhallenbetreiber beachten. In diesem Zusammenhang weist der EuGH darauf hin, dass der nationale Gesetzgeber, wenn er Genehmigungen widerruft, die ihren Inhabern die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglichen, eine angemessene Entschädigungsregelung oder einen hinreichend langen Übergangszeitraum vorsehen muss, damit sich die Inhaber der Genehmigungen darauf einstellen können.

Interessant sind die Ausführungen des EuGH zur unionsrechtlichen Staatshaftung. Sofern eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit festgestellt werden sollte, könnten die Spielhallenbetreiber vom ungarischen Staat Ersatz für den ihnen infolge dieses Verstoßes gegen das Unionsrecht entstandenen Schaden erhalten, soweit der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen dem Verstoß und dem entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.

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Tenor des Urteils des EuGH:

1. Nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren streitigen, die, ohne einen Übergangszeitraum vorzusehen, den Betrag einer Pauschalsteuer auf den Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen verfünffachen und darüber hinaus eine Proportionalsteuer auf diese Tätigkeit einführen, stellen eine Beschränkung der mit Art. 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit dar, soweit sie geeignet sind, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit in Gestalt des Betriebs von Geldspielautomaten in Spielhallen zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

2. Nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren streitigen, die, ohne einen Übergangszeitraum oder eine Entschädigung der Spielhallenbetreiber vorzusehen, den Betrieb von Geldspielautomaten außerhalb von Spielkasinos verbieten, stellen eine Beschränkung der mit Art. 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit dar.

3. Beschränkungen, die sich aus nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren streitigen ergeben können, können nur dann durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, wenn das nationale Gericht nach einer Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen diese Rechtsvorschriften erlassen und durchgeführt worden sind, zu dem Ergebnis gelangt,

 – dass sie in erster Linie wirklich Ziele verfolgen, die sich auf den Schutz der Verbraucher vor Spielsucht und die Bekämpfung von Kriminalität und Betrug im Zusammenhang mit dem Spielen beziehen, wobei der bloße Umstand, dass eine Beschränkung von Glücksspieltätigkeiten als Nebenfolge – im Wege einer Erhöhung der Steuereinnahmen – auch dem Haushalt des betreffenden Mitgliedstaats zugutekommt, der Annahme nicht entgegensteht, dass diese Beschränkung in erster Linie wirklich derartige Ziele verfolgt;

– dass sie die genannten Ziele in kohärenter und systematischer Weise verfolgen und


– dass sie die Anforderungen erfüllen, die sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, insbesondere den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie dem Eigentumsrecht ergeben.

4. Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November geänderten Fassung ist dahin auszulegen,

– dass nationale Rechtsvorschriften, die den Betrag einer Pauschalsteuer auf den Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen verfünffachen und darüber hinaus eine Proportionalsteuer auf diese Tätigkeit einführen, keine „technischen Vorschriften“ im Sinne dieser Bestimmung sind und

– dass nationale Rechtsvorschriften, die den Betrieb von Geldspielautomaten außerhalb von Spielkasinos verbieten, „technische Vorschriften“ im Sinne dieser Bestimmung sind, die als Entwurf gemäß Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie übermittelt werden müssen.

5. Art. 56 AEUV soll dem Einzelnen Rechte verleihen, so dass ein Verstoß gegen diesen Artikel durch einen Mitgliedstaat, einschließlich eines Verstoßes durch dessen Gesetzgebungstätigkeit, zu einem Anspruch des Einzelnen führt, von dem betreffenden Mitgliedstaat Ersatz für den ihm infolge dieses Verstoßes entstandenen Schaden zu erhalten, soweit der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen dem Verstoß und dem entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

6. Die Art. 8 und 9 der Richtlinie 98/34 in der durch die Richtlinie 2006/96 geänderten Fassung sollen dem Einzelnen keine Rechte verleihen, so dass ein Verstoß gegen diese Artikel durch einen Mitgliedstaat auf der Grundlage des Unionsrechts nicht zu einem Anspruch des Einzelnen führt, von dem betreffenden Mitgliedstaat Ersatz für den ihm infolge dieses Verstoßes entstandenen Schaden zu erhalten.

7. Der Umstand, dass nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren streitigen einen Bereich betreffen, der in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, wirkt sich nicht auf die Beantwortung der von dem vorlegenden Gericht gestellten Fragen aus.

Das Fiasko beim Sportwetten-Konzessionsverfahren: Klärung durch den EuGH?

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat am 10. Juni 2015 die Rechtssache Ince (Rs. C-336/14) im großen Sitzungssaal verhandelt. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Ersten Kammer des EuGH hat der zuständige Generalanwalt Szpunar angekündigt, seine Schlussanträge bereits am 17. September 2015 vorzulegen. Eine Entscheidung des EuGH ist daher noch im laufenden Jahr zu erwarten.

Die Vorlagefragen des Amtsgerichts Sonthofen an den EuGH (siehe hierzu http://wettrecht.blogspot.de/2014/03/neue-vorlage-den-eugh-zum-deutschen.html) betreffen u.a. das Sportwetten-Konzessionsverfahren in Deutschland. Eine Entscheidung des EuGH hat allerdings nicht nur für dieses bereits seit drei Jahren ohne Konzessionserteilung andauernde, rechtlich höchst problematische Verfahren, sondern auch für Glücksspiel-Genehmigungsverfahren in anderen EU-Mitgliedstaaten erhebliche Bedeutung (wie etwa die Casinolizenzvergabe in Österreich, über die das österreichische Bundesverwaltungsgericht am Tag zuvor verhandelt hatte).

Die Frau Ince vertretenden Rechtsanwälte Rolf Karpenstein und Martin Arendts verwiesen in ihrem Plädoyer auf die zahlreichen Verstöße gegen das sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebende Transparenzgebot bei der Vergabe von Konzessionen. Die nicht klar ausformulierten und zum Teil im Laufe des Verfahrens geänderten Konzessionsvoraussetzungen wurden erst dann in der zweiten Stufe des Verfahrens festgelegt, als der Kreis der Bewerber bereits feststand (und somit die Gefahr bestand, dass die Anforderungen entsprechend zurecht „geschneidert“ werden). Dabei ist die Einbindung der Kanzlei CBH wegen des bestehenden Interessenkonflikts problematisch, da diese die Landeslotteriegesellschaften (u.a. WestLotto in dem im letzten Jahr vor dem EuGH verhandelten Digibet-Verfahren) vertritt (von denen mehrere an dem Bewerber ODS Oddset Deutschland Sportwetten GmbH beteiligt sind).

Die Gefahr der Günstlingswirtschaft habe sich auch bei der ODS verwirklicht. Aus dem Protokoll des Glücksspielkollegiums im August 2014 ergebe sich, dass sich fünf Vertreter der Bundesländer für einen Ausschluss der ODS ausgesprochen hätten (bei sieben Enthaltungen und lediglich vier Nein-Stimmen). Ein Ausschluss der ODS wegen des Verstoßes gegen das Trennungsgebot hätte die Liste der 20 Erstplatzierten verändert.

Rechtsanwalt Arendts bat den EuGH um Klärung, wie ein Übergang von einem rechtlich nicht haltbaren Monopol zu einem (irgendwann einmal) unionsrechtskonformen Konzessionssystem unionrechtlich auszugestalten sei. Durch die Übergangsregelung im Glücksspielstaatsvertrag, nach dem die bisherigen Monopolanbieter und deren Vertriebsnetz ein Jahr nach Erteilung der Konzessionen ohne Genehmigung weiter Sportwetten anbieten und vermitteln dürfen, werde nicht das erforderliche „level-playing field“ geschaffen. Insoweit könnten sich die Landeslotteriegesellschaften auch nicht auf Vertrauensschutz aus einem unionsrechtswidrig praktizierten Monopol berufen und als staatliche Anbieter erst recht nicht auf die Berufsfreiheit.

Der Vertreter der Bundesregierung Müller verwies auf die sog. „Bayerische Öffnung“, nach der es bereits vor Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatvertrags für Sportwetten-Vermittler grundsätzlich die Möglichkeit gegeben habe, eine Erlaubnis zu erhalten. Die Bekanntmachung des Sportwetten-Konzessionsverfahrens vom 8. August 2012 habe alle zwingenden Angaben erhalten, so dass das Verfahren transparent sei.  

Herr Braun, der Vertreter der Europäischen Kommission, widersprach der Bundesregierung. Die Kommission teile die Bedenken des Vorlagegerichts. Bis jetzt habe Deutschland keinen Nachweis für die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der deutschen Glücksspielregelungen geliefert. Es bestehe weiterhin ein faktisches Monopol. Das neu eingeführte Konzessionssystem habe daran bisher nichts geändert. Auch sei die Übergangsregelung unzulässig.

Auf Nachfrage des Generalanwalts zu einem Bericht in der FAZ vom Vortag zu der aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main erklärte der Vertreter der Bundesregierung, dass ja nur die Verwaltungsgerichte Wiesbaden und Frankfurt am Main eine Intransparenz des Verfahrens festgestellt hätten (ohne auf eine ähnliche Entscheidung des OVG Hamburg aus dem letzten Jahr einzugehen). Die Mehrheit der deutschen Verwaltungsgerichte sehe dies anders. 

Auf eine Nachfrage des Gerichtshofs nach Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland verwies der Vertreter der Kommission auf laufende Ermittlungen und ein eingeleitetes Pilotverfahren.